Verlautbarung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Vom 27. März 2006; ohne Az.
[Bekanntgegeben am 29. April 2006; VkBl. 2006, S. 358]
Änderungen seit Bekanntgabe:
[Aufgenommen ist nur die deutsche Textfassung]
Bekanntmachung des Letter of Intent
zur Einführung des ERTMS im Korridor Rotterdam - Genua
Die Verkehrsminister Deutschlands, Italiens, der Niederlande und der Schweiz haben während des informellen Verkehrsministertreffens in Bregenz am 03. März 2006 eine Absichtserklärung (Letter of Intent) zur Einführung des ERTMS im Korridor Rotterdam - Genua unterzeichnet. Die deutsche und die englische Fassung des Letter of Intent wird nachfolgend bekannt gemacht.
Absichtserklärung
Einführung des ERTMS im Korridor Rotterdam - Genua
Herr Moritz Leuenberger
Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation, Schweiz
Herr Pietro Lunardi
Minister für Infrastruktur und Verkehr, Italien
Frau Karla M. H. Peijs
Ministerin für Verkehr, öffentliche Arbeiten und Wasserwirtschaft, Niederlande
Herr Wolfgang Tiefensee
Minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Deutschland
Im Einvernehmen mit dem EU-Koordinator für ERTMS im transeuropäischen Verkehrsnetz, Karel Vinck
Hintergrund
Der Güterverkehrskorridor Rotterdam - Genua entwickelt sich weiterhin schnell und ist eine der wichtigsten Schienengüterverkehrsachsen in Europa. Die Minister haben am 9. Januar 2003 ein Memorandum of Understanding zur Verbesserung der Rahmenbedingungen zur Weiterentwicklung des Schienengüterverkehrs (das "IQ-C-Projekt") unterzeichnet. Im Anschluss an dieses Memorandum of Understanding vereinbarten die Minister im Juli 2004, die Einführung des Europäischen Eisenbahnverkehrsleitsystems (ERTMS) im Korridor zu untersuchen. Eine Einführungsstrategie, nach der ERTMS vorrangig auf den wichtigsten europäischen Schienenverkehrskorridoren eingeführt wird, wird das Kosten-Nutzen-Szenario erheblich verbessern und kann zu einem Durchbruch im Hinblick auf die Interoperabilität des Schienenverkehrs in Europa führen, was den integrierten grenzüberschreitenden Verkehr erleichtern würde. Auf Wunsch der Minister wurde eine Kosten-Nutzen-Analyse durchgeführt, die - bei Annahme einer jährlichen Kostensenkung um 1,5 - 2,0 % der ERTMS-Ausrüstung für den Zeitraum von 2005 - 2015 - mittel- bis langfristig ein positives Kosten-Nutzen-Verhältnis ergeben hat, wohingegen sich das Kosten-Nutzen-Verhältnis nach einer weiter verbreiteten Anwendung des ERTMS auf europäischen Korridoren verbessern würde. Zur beschleunigten Verbreitung des Systems kann eine zielgerichtete Unterstützung gerechtfertigt sein. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis des Einsatzes des ERTMS im Korridor kann sich erheblich verbessern, wenn dieser Einsatz verbunden ist mit einem gezielten Investitionsprogramm für die Infrastruktur und innovativen Maßnahmen zur Verkehrslenkung.
Die Minister
Unter Berücksichtigung nachstehender Gründe:
- Innerhalb der Europäischen Union werden die Interoperabilitätsnormen für europäische Zugsteuer- und Betriebsleitsysteme im Rahmen der Interoperabilitäts-Richtlinien 96/48/EC und 2001/16/EC erarbeitet.
Die Annahme des TSI "Zugsteuerung, Zugsicherung und Signalgebung" nach Richtlinie 2001/16 (Interoperabilität des konventionellen transeuropäischen Eisenbahnsystems) in Bezug auf das ERTMS durch den "Ausschuss über die Interoperabilität und Sicherheit des europäischen Schienennetzes" vom November 2005 sollte beachtet werden. Des Weiteren wird die Schweiz als gesondertes Maßnahmenpaket der Reform der schweizerischen Eisenbahnen Vorschriften annehmen, die denen der Richtlinien 96/48/EG und 2001/16/EG entsprechen.
- Die Europäische Kommission hat in ihrer Mitteilung an das Europäische Parlament und den Rat zur Einführung des Europäischen Eisenbahnverkehrsleitsystems ERTMS / ETCS (Dokument COM(2005)298) im Juli 2005 eine Migrationsstrategie in den Mitgliedstaaten gefordert.
- Die Europäische Kommission hat im Juli 2005 Herrn Karel Vinck als Koordinator für die Einführung des ERTMS auf den transeuropäischen Netzen ernannt, mit besonderer Hervorhebung der wichtigsten Güterverkehrskorridore wie zum Beispiel Rotterdam - Genua.
- Die beteiligten Infrastrukturbetreiber haben auf Wunsch der Verkehrsminister eine realistische Migrationsstrategie für das ERTMS für jede Teilstrecke des Korridors entwickelt. DB NETZ stellt gerade ihre Kosten-Nutzen-Analyse für den schnellsten Weg zur Einführung des ERTMS auf der Strecke Oberhausen - Mannheim fertig. Die Einführungsstrategie wird im Projektplan näher beschrieben.
- Die Infrastrukturbetreiber haben ihre Unterstützung für die Absichtserklärung der Minister zugesagt.
- ERTMS ist das Rückgrat eines optimierten Korridors zur Erzielung eines hohen Anstiegs des Verkehrsaufkommens und einer Qualitätsverbesserung. Die Einführung des Systems verlangt gemeinsame Anstrengungen seitens der Regierungen, der Infrastrukturbetreiber und der Eisenbahnunternehmen.
- Die Europäische Kommission hat vorgeschlagen, die Einführung des ERTMS sowohl in Bezug auf die Infrastruktur als auch auf fahrzeuginterne Vorrichtungen zu unterstützen. Zu diesem Zweck wird der Europäische Koordinator Empfehlungen für den Finanzierungszeitraum 2007 - 2013 unterbreiten.
- Der Entschließungsentwurf des Europäischen Parlaments stützt die schnelle Einführung des ERTMS im Korridor Rotterdam-Genua (2005/2168 INI von Berichterstatter Gramer, 07.02.2006).
- Die Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität im Korridor, die im Rahmen des IQ-C-Projekts in Angriff genommen wurden, sollten fortgesetzt werden und ein Arbeitsprogramm erstellt werden, um die Einführung des ERTMS im Korridor zu erleichtern, und
Unter Berücksichtigung des Ziels:
- Einführung des ERTMS auf dem Korridor Rotterdam - Genua so schnell wie möglich und zu niedrigsten Kosten,
empfehlen die folgenden weiteren Schritte und Maßnahmen in dem Maße, wie diese Schritte und Maßnahmen von den ERTMS-Einführungsplänen aller am Schienengüterverkehrskorridor Rotterdam - Genua beteiligten Länder gestützt werden:
- Die Einführung des ERTMS im Korridor sollte 2012 abgeschlossen sein, mit Ausnahme des Teilstücks Oberhausen - Mannheim, das spätestens 2015 mit ERTMS ausgestattet sein wird. Im Jahr 2015 sollte der Betrieb von Lokomotiven, die nur noch mit ERTMS ausgestattet sind, im gesamten Korridor möglich sein. In Deutschland werden alternative technische Lösungen (STM / PZB-LZB) zum Tragen kommen, um ab 2012 die Interoperabilität im gesamten Korridor diskriminierungsfrei sicherzustellen.
- Der Umfang des ERTMS-Projekts ist im Projektplan beschrieben.
- Für den Korridor sollte ein einheitliches Programm damit verbundener Infrastrukturinvestitionen erstellt werden. Dieses Programm sollte die Wirtschaftlichkeit im Korridor weiter verbessern aufgrund der Tatsache, dass es den betroffenen Eisenbahnunternehmen betriebliche Vorteile liefert. Das Programm wird im ausführlichen Durchführungsplan beschrieben. Bei ihren Anträgen auf Finanzierung im Rahmen der EU-TEN beziehen sich die betroffenen EU-Mitgliedstaaten auf die Absichtserklärung und den Projektplan.
- Anträge - nach Möglichkeit gemeinsam gestellt - der beteiligten EU-Mitgliedstaaten (mit Ausnahme der Schweiz) für die Finanzierung im Rahmen der EU-TEN gemäß dieser Absichtserklärung müssen spätestens bis zum 1. Oktober 2006 von den EU-Mitgliedstaaten entlang des Korridors für den Finanzierungszeitraum 2007 - 2013 erstellt werden.
- Die betroffenen Minister treffen alle erforderlichen Maßnahmen, unter Berücksichtigung der nationalen Vorschriften der Haushaltsmittelzuweisung und gegebenenfalls der europäischen Vorschriften in Bezug auf staatliche Zuschüsse und Wettbewerb, im Hinblick auf die notwendigen Fördermittel für die nationalen Teilabschnitte des ERTMS-Korridors.
- Die beteiligten Minister setzen einen Exekutivausschuss zur Leitung der Durchführung des Projekts ein. Die Europäische Kommission und die Infrastrukturbetreiber sind ebenfalls zur Mitwirkung im Exekutivausschuss aufgerufen. Der Exekutivausschuss wird seine Aufgabenbeschreibung sobald wie möglich annehmen. Der Exekutivausschuss kann die Minister bezüglich Änderungen beraten, die an nationalen Eisenbahnvorschriften vorgenommen werden können, wenn diese der Durchführung des Projekts hinderlich wären. Der Exekutivausschuss wird die Verantwortlichkeiten und Befugnisse der Minister nicht ändern.
- Die Infrastrukturbetreiber sollten einen gemeinsamen geschäftsführenden Ausschuss einsetzen, um den Projektplan zur Einführung des ERTMS im Korridor durchzuführen. Der geschäftsführende Ausschuss berichtet gemäß dieser Absichtserklärung und dem Projektplan dem Exekutivausschuss. Der geschäftsführende Ausschuss - der als ständige Arbeitsgruppe handelt - hat die Aufgabe, einen ausführlichen Durchführungsplan zu erstellen, einschließlich der Maßnahmen zur Überwachung unterschiedlicher Risiken, die auftreten können, und gegebenenfalls die gemeinsame Beschaffung von ERTMS-Ausrüstungen und die Finanzierung des Durchführungsplans zu organisieren. Der geschäftsführende Ausschuss sollte soweit wie möglich als ein gemeinsames Gremium handeln, das sich mit den Unterstützungsgruppen der Europäischen Eisenbahnagentur, der Eisenbahnindustrie (UNIFE) und den Eisenbahnunternehmen (CER, ERFA, UIC) zur Durchführung des Projekts befasst. Des Weiteren sorgt der geschäftsführende Ausschuss für die Koordination mit allen anderen Aktivitäten der Infrastrukturbetreiber zur Verbesserung der Qualität im Korridor.
- Die Sicherheitsbehörden, die für die Genehmigung der Inbetriebnahme der ERTMS-Ausrüstung auf der Korridorinfrastruktur und für das rollende Material verantwortlich sind, legen den Ministern und dem Europäischen Koordinator eine Kooperationsvereinbarung mit praktischen Maßnahmen zur effizienteren Gestaltung der Zertifizierungsverfahren vor.
Geschehen zu Bregenz am 3. März 2006
